Institut für Pathologie (Friedrichstadt)

Felix Victor Birch-Hirschfeld (1870 - 1885)

Geboren am 02.Mai 1842 zu Klavensiek bei Rendsburg (Sohn eines Landwirtes).

Bis 1867 Studium der Medizin in Leipzig mit Abschluss der Promotion (Thema: "Über einen Fall von Hirndefect infolge eines Hydrops septi lucidi").

Ab 1867 Assistent von E. Wagner im Pathologischen Institut Leipzig.

Von Oktober 1868 für ein Jahr lang Assistenzarzt an der Landesirrenanstalt Sonnenstein in Pirna, danach bis 1. Februar 1870 Assistenzarzt in der Irrenanstalt in Colditz.

Ab 1. Februar 1870 bis 1. April 1885 Prosektor der Pathologie des Stadtkrankenhauses Dresden-Friedrichstadt und gleichzeitig niedergelassener praktischer Arzt (zur damaligen Zeit nicht ungewöhnlich).

In der Arbeit über "die Entwickelung des Hodenkrebses" führte Birch-Hirschfeld 1868 den Nachweis, dass die epithelialen Elemente der Hodenkrebse in den Drüsenkanälen entstanden sind und sprach sich am Schluss für eine schärfere Begrenzung des Begriffes "Krebs" aus.

Felix Birch-Hirschfeld  1870-1885

In einem Beitrag "zur Kasuistik der Geschwulstembolie" 1869 schilderte er zwei Fälle von Enchondromen mit und erörterte die Beteiligung des Lungengewebes und farbloser Blutzellen bei der Vergrößerung der sekundären Lungengeschwülste.

Seit 1871 war Birch-Hirschfeld Lehrer der militärärztlichen Fortbildungskurse.

Sein wissenschaftliches Interesse an der Beschreibung und Aufklärung von Infektionserkrankungen mündeten 1873 in Publikationen über die Pyämie, in denen er sich mit den ganz jungen Ergebnissen der sich entwickelnden Bakteriologie auseinandersetzte und deren Erkenntnissen er aus morphologischer Sicht zum Durchbruch verhalf. Weitere Arbeiten über Diphtherie und Myokarditis, über den erstmaligen Hinweis auf bakteriell bedingte Herzklappenentzündung, über Züchtung von Typhusbakterien auf Nährmedien, über Tuberkulose, diaplazentare Infektion und angeborene zeugen von seiner bemerkenswerten wissenschaftlichen Arbeit.

1875 Ernennung zum Medizinalrat ins Sächsische Landesmedizinalkollegium.

1876 erschien sein großes Lehrbuch der pathologischen Anatomie, das noch fünf weitere Auflagen erhielt und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.

Er erkannte die Begründung der pathologischen Histologie und die Belebung des Tierexperimentes als folgenreichen Fortschritt und schloss sich der von Virchow begründeten Zellularpathologie an.

1881 übernahm er zusätzlich die Leitung einer Unterabteilung für Geistes- und Nervenkranke und chronisch Kranke im Stadtkrankenhaus.

1885 trennte sich Birch-Hirschfeld schweren Herzens von Dresden mit hiesiger Prosektur und folgte der Berufung als Professor der allgemeinen und pathologischen Anatomie und Direktor des pathologischen Institutes nach Leipzig.

1887 zeigte er mit seinen Untersuchungen "über das Verhalten der Leberzellen in der Amyloidleber", dass Amyloidablagerungen in Leberzellen nicht entarten.

Seit 1890 Vertreter in der 1. Kammer des sächsischen Landtages.

1892 erhielt er Titel und Rang des Geheimen Medizinalrates.

Birch-Hirschfeld war stets bemüht, den Zusammenhang zwischen pathologischer Anatomie und klinischer Medizin aufrecht zu erhalten. Er wies immer wieder darauf hin, dass die Pathologie ohne klinische Medizin ein Fach von rein theoretischer Bedeutung sei, und dass andererseits die klinische Medizin sich der sicheren Grundlage entbehre, wenn sie nicht auf der pathologischen Anatomie fuße.

Birch-Hirschfeld vereinigte in sich den hervorragenden pathologischen Anatomen mit dem bedeutenden Kliniker und ärztlichen Praktiker. Mit Vorliebe weilte er in den Bergen Sachsens und Bayerns. Seine norddeutsche Heimat liebte er von Herzen und, obwohl er sie viele Jahre nicht gesehen hatte, rühmte er gern in packender Schilderung ihre Vorzüge. Klarer Verstand, logisches Denken und ein vortreffliches Gedächtnis waren die hervorragendsten geistigen Eigenschaften Birch-Hirschfelds.

Im Archiv der Heilkunde, Bd. IX bis XVI, widmete er sich auch Tumorerkrankungen und schrieb über Hodenkrebs, Geschwulstembolien, zur Cylindromfrage und über einen akuten Milztumor.

1894 (in Gemeinschaft mit Döderlein) veröffentlichte er die Arbeit: "Embryonale Drüsengeschwulst der Nierengegend" und 1898 "Sarkomatöse Geschwulst der Niere im Kindesalter". Der besondere Wert dieser Mitteilungen liegt darin, dass er, gestützt auf die eigenen und fremden Beobachtungen, eine schärfere Abgrenzung der verschiedenartigen Nierengeschwülste durchzuführen suchte.

Kurz vor seinem Tode publizierte er 1899 im Deutschen Archiv für klinische Medizin sein bedeutendes Werk "Ueber den Sitz und die Entwickelung der primären Lungentuberkulose".

Die beiden letzten wissenschaftlichen Leistungen Birch-Hirschfelds waren "Untersuchungen über die Wirkung des Giftes der Kreuzotter" (1899) und der Vortrag: "Medicinische Wissenschaft und Heilkunst" (Ber. d. Naturforschervers. München, 1899).

Birch-Hirschfeld starb am 19. November 1899 in Leipzig an einem "Herz- und Lungenleiden".


Ferner veröffentlichte er:

  • Die Entstehung der Gelbsucht neugeborener Kinder (Virchow's A., LXXXVII)
  • Die Skrophulose (in v. Ziemssen's Handb. der spez. Path., XIII, 2. Aufl.)
  • Über die Krankheiten der Leber und Milz (in Gerhardt's Handb. der Kinderkrankh., IV, 2)
  • Lehrbuch der allgemeinen und speciellen pathologischen Anatomie (Leipzig 1876; 2. Aufl. 1882 und 1883; 5. Aufl. 1896 und 1897).
  • Über die Pforten der placentaren Infektion des Fötus
  • Übergang von Tuberkelbazillen aus dem mütterl. Blut auf den Fötus (Beitr. z. path. Anat. und allg. Path. hrsg. v. Ziegler 1890)
  • Über sarkomatöse Drüsengeschwulst der Niere im Kindesalter (ib. 1898)
  • Über den Sitz und die Entwicklung der primären Lungentuberkulose (A. f. klin. Med. LXIV. 1899)
  • Grundriss der allgemeinen Pathologie (Leipzig 1892).

Seine letzte Veröffentlichung war der in der 2. allgem. Sitzung der Münchener Naturforscher-Versammlung am 29. Sept. 1899 gehaltene Vortrag über Wissenschaft und Heilkunst.

Zwei weitere (posthum kritisch zu bewertende) Veröffentlichungen:

  • "Über den Ursprung der menschlichen Miemensprache mit Berücksichtigung des Darwin´schen Buches; Über den Ausdruck der Gemüthsbewegungen" (1880) und
  • "Die Bedeutung der Muskelübung für die Gesundheit, besonders der deutschen Jugend" (Vortrag in Berlin 1883).